blikk Schule gestalten   Software zum Lernen -
Unterrichtssoftware
         
  zum forum zur galerie zur übersicht  
infos zum arbeitsbereich infothek  
blikk schulentwicklung        
   
Lernprogramme - "Expertensysteme" zum Lernen
  zum anfang zurückblättern umblättern ans ende eine ebene nach oben
 


Fragen, Fragen, ...

zur Provokation von Reaktionen in der Galerie oder auf dem Forum.

Eine weit verbreitete Alltagstheorie ist z.B. die, dass Rechnen, Rechtschreibung und Fremdsprachen gepaukt werden müssen. So wie es etwa nebenstehend beschrieben wird.

Was ist aber eigentlich aus dem programmierten Unterricht der 60er und 70er Jahre geworden? Warum ist er verschwunden?

Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Unterricht gemacht, in dem das von Ihnen Eingedrillte schon nach kurzer Zeit nicht mehr gekonnt wurde?

Sehen Sie sich einmal das Programm "internet abc - Das Portal für Kinder + Eltern" an! Entscheiden Sie selbst oder lesen Sie die Bewertung!

....

Zunächst ein einfaches Beispiel
für eine computerunterstützte Lern- oder Übeprozedur

Nach Einschalten des Rechners erscheint nach einigen Tasten-Drucken die erste Übung auf dem Bildschirm. Etwa: 27 + 48 = .....
An Stelle der Pünktchen blinkt der Cursor solange, bis eine Zahl eingetragen wird. Schreibt man 75 ein, so gibt der "Computer" eine Belobigung etwa in Form von Text, Bild oder Ton und eine neue Aufgabe. .... Schreibt man aber 65 ein, so gibt der "Computer" (hoffentlich!) eine zielgerichtete Hilfe zum "Zehner" und erlaubt erneut zu antworten. Ist die eingetragene Zahl nun richtig, so siehe vorher. Ist sie wieder falsch, so ist der "Computer" beleidigt und gibt in der Regel die richtige Antwort und eine neue Aufgabe. Und das Ganze ist mit viel schrillen Tönen, bunten Bildern und Trallala verbunden.


Lernprogramme bieten einen multimedial aufbereiteten, programmierten Unterricht auf der Basis von operationalisierten Feinlernzielen in einer teacher-proof-Umgebung (Lehrer-sicheren Umgebung). Vielfach sind die Lernprogramme auch als Expertensysteme (u.a für Sprache oder Mathe) strukturiert.

Alle in den 60er Jahren angebotenen Lernprogramme in Buchform sind Ende der 70er Jahre wieder vom Markt verschwunden. Heute leben sie digitalisiert neu auf und überschwemmen den Markt. Teilweise können sie auch kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden.

Hintergrundbild: Titelbild des TT-Programms Trigonometrie (Klett)

    ...
   
   
....    

Nun einige Mathe-Testfragen und Fragen an Ihre persönliche Meinung.

Sie verfolgen den alleinigen Zweck, Sie zu provozieren. Reagieren Sie doch bitte in der Galerie oder auf dem Forum. Dann kann über Ihre Statements und Erfahrungen diskutiert werden!

Wie wird der Inhalt eines Trapezes oder das Volumen einer Kugel berechnet? Das konnten Sie einmal im Schlaf.

Oder: Was ist die Ableitung von "Wurzel aus x"? Ohne Zweifel müssten Sie die Ableitung reproduzieren können, wenn Sie das Abitur gemacht haben!

Üben ist notwendig! Das ist gar keine Frage.
Aber: Was geschieht eigentlich beim Üben?

Vor einem Anwortversuch soll der Problemgehalt der Frage etwas weiter verdeutlicht werden.
Nehmen wir als erstes Beispiel einen Rechensatz. Niemand wird bestreiten, dass Sätze wie "sieben und acht ist fünfzehn" oder fünf mal fünf ist fünfundzwanzig" sozusagen wie im Schlaf gekonnt sein sollten. Hierzu eine Testfrage an alle Menschen, die älter als 8 Jahre und keine Grundschullehrerin sind. Was ist sieben mal neun? Die meisten Menschen antworten nicht unmittelbar und spontan. Sie reproduzieren im "stillen Reden mit sich selbst" wie folgt oder ähnlich: sieben mal neun ..äh.. neun mal sieben ..äh.. zehn mal sieben ..äh.. siebzig minus sieben; ach ja: dreiundsechszig!
Nehmen wir als zweites Beispiel einen nicht-kognitiven Sachverhalt, nämlich das Autofahren. Nicht-kognitiv bedeutet hier nicht, dass das Großhirn nicht beteiligt ist, wohl aber in anderer Weise als bei den Rechensätzen. Und hier wieder die Fragen: Warum verlernen wir beim Autofahren nicht zu bremsen, wenn Rot vor uns aufleuchtet? Erstens weil wir es tagtäglich tun. Wir bleiben in Übung, genau wie es die Grundschullehrerinnen sind, die fast täglich sagen müssen: "Sieben mal neun ist dreiundsechzig." Zweitens aber, weil grundlegende Bewegungsabläufe wesentlich im Kleinhirn "verankert" sind.

Beim Behalten von geübten Sachverhalten spielt also die Regelmäßigkeit des Tuns und der Speicher-Ort eine Rolle. Es sollte klar werden, dass Rechensätze nicht "wie das Autofahren" (gewissermaßen wie im Schlaf) gekonnt sein können.

....

Nicht nur die eingepaukte Mathe wird verlernt, auch das Sprechen in einer fremden Sprache gelingt nach einiger Zeit nicht mehr flüssig.

Welche Folgerungen müssen wir Lehrende aus diesen Sachverhalten ziehen?

Kann mit Lernprogrammen nachhaltig gelernt und geübt werden?

Gelernte kognitive Sachverhalte hinterlassen im Großhirn ihre "Spuren"

Kognitive Sach- und Sinnverhalte aktivieren und hinterlassen nach ihrer (mehrfachen) Wahr-Nehmung im Großhirn eine "breite Spur"! In Positronen-Emissions-Tomographien (PET) lässt sich zeigen, dass im Großhirn beim Hören eines Wortes große und teilweise nicht zusammenhängende Bereiche, beim Sprechen eines Wortes andere, aber wiederum große und teilweise nicht zusammenhängende Bereiche und beim Ausdenken eines Wortes wieder andere, aber wiederum große und teilweise nicht zusammenhängende Bereiche aktiviert werden.

....    
"Mit Lernprogrammen zu lernen, das macht ungeheuer viel Spaß", so lautet eine viel geäußerte Erfolgsmeldung bei Kindern und Jugendlichen.
 

....    

Richtig ist, dass positive Gefühle beim Lernen sehr wichtig sind, denn es gibt keine Kognition ohne Emotion! Aber: Bezieht sich der Spaß nicht alleine auf das neuartige Gerät und den multimedialen Schnickschnack? Ebbt der Spaß dann nicht erheblich ab, wenn die Kinder erkennen, dass doch nur isoliertes Wissen gepaukt wird?

Wenn unmittelbar nach dem Durcharbeiten eines Lernprogramms genau das getestet wird, was im Programm gelernt wurde, dann ist der Test in der Regel sehr erfolgreich. "Für eine Klassenarbeit genau das Richtige!" sagen die Eltern. Was aber zeigt ein Wiederholungstest zum genau selben Stoffgebiet nur nach einem halben Jahr?

"Das Programm schimpft und straft nicht und bleibt geduldig." Verbergen sich hinter dieser Aussage nicht negative Lernerfahrungen der Kinder? Etwa die: "meine Mutter schreit immer sofort, wenn ich etwas nicht kann." Können also im Einzelfall Lernende mit Hilfe von Lernprogrammen wieder Zutrauen zur eigenen Leistungsfähigkeit finden, wenn die aufgebaute Lernblockade "Mensch" fortgenommen wird?

Allgemeiner lässt sich fragen: Ist Pauken, Bimsen oder Drillen überhaupt eine geeignete Lern- und Übeform, wenn ein Sachverhalt noch nach einigen Jahren gekonnt sein soll und in anderen Zusammenhängen angewandt werden soll?

Gibt es Neue Medien, mit denen nachhaltig gelernt und geübt werden kann?

Und welche Neuen Medien sind dies?

 

Beim gleichzeitigen bewussten Hören, Sprechen und Ausdenken (Interpretieren) überlappen sich aber die aktivierten Bereiche und werden dadurch zusammenhängend. Spuren von Zusammenhängen bleiben dabei erhalten, die später ein ein Reproduzieren erleichtern.



Die bisherigen Überlegungen erlauben nun, aufgeklärter zu fragen: Wie lässt sich erreichen, dass durch Üben die bereits gelernten kognitiven Sach- und Sinnverhalte längerfristig und (nachhaltig) behalten werden?

Kann mit Lernprogrammen gelernt und geübt werden?

Sicher kann man zunächst sagen, Lernprogramme schaden dem Lernenden nicht, solange diese Lernform noch eine weit verbreitete Alltagstheorie ist.

Auch der programmierte Unterricht oder die Sprachlabore haben nicht geschadet. Aber die Antwort ist vielleicht nicht zufrieden stellend. Daher folgen weitere Anregungen.

Lernprogramme fördern ein Üben in ganz kleinen Schritten

Ein Lern-Programm führt - auf der Basis von operationalisierten Feinlernzielen - kleinschrittig von Item zu Item und übt die "Sachen" isoliert ein.

'Sieben mal neun gleich dreiundsechzig', 'sieben mal neun gleich dreiundsechzig', ..., aktiviert je nach Akzentuierung des Lernenden nur einen ausgesprochen kleinen Bereich im Großhirn, manchmal nur den des mit sich selbst Sprechens. Üben in der Form von kleinen und isolierten Häppchen aktiviert im Gehirn in der Regel voneinander isolierte Bereiche. So lässt sich verstehen, dass diese Übe-Methode keinen dauerhaften Erfolg hat, dass sie aber auch nicht schadet und manchmal sogar kurzfristig hilft.

Isoliertes Üben führt nicht zu stabilen Behaltensleistungen

Pauken und Bimsen sind ein kleinschrittiges Üben von isolierten Ausdrücken, Vokabeln, Fakten und Aussagen ohne jeglichen Sinn- und Sachzusammenhang. Bekannt ist aber, dass in Zusammenhängen Gelerntes länger behalten wird.
Erinnern wir uns hierzu an die obige Reorganisation von "sieben mal neun ist dreiundsechsig". Das Ergebnis wurde in der Gesamtstruktur des Einmaleins (hier: Tauschregel und Nachbaraufgabe ...), also in einer Metastruktur erinnert. Solche Strukturen aktivieren im Großhirn viele Bereiche. Gibt es unter den aktivierten Bereichen bereits Verbindungen oder können sie aktuell aufgebaut werden, weil es so geübt worden ist, so kann das Ergebnis ohne Nachschlaghilfe rekonstruiert werden, wenn es nicht bereits unmittelbar verfügbar war.

....

Das war der Titelbild des
TT-Programms Trigonometrie
vom Klett Verlag; Das Original ist von
N.C. Crowder, New York 1961






Resümierende Zusammenfassung

Die Lernmethode des kleinschrittigen Lernens und Übens ist weit verbreitet. Viele Menschen haben sie verinnerlicht. Wen wundert es also, dass heutige Programmierer genau diese Methode in "neuen" Lernprogrammen abbilden? Wen wundert es, dass die meisten Eltern mit dem Wort "üben" kleinschrittiges Drillen assoziieren? Wen wundert es, dass es Lehrpersonen schwer fällt, sich auf eine andere Form des Lernens und Übens einzustellen? Wen wundert es also schließlich, dass Programme, die nach dem Strickmuster des Programmierten Unterrichts konstruiert worden sind, auch gekauft werden? Aber zu meinen, so würde die Selbstständigkeit oder das "Lernen lernen" gefördert, das ist barer Unsinn.

Jede Alltagstheorie enthält aber auch einen Kern von Wahrheit. "Üben in kleinen Schritten" meint auch, dass auf bereits Bekanntes aufzubauen ist und man Lernende dort abholen sollte, wo sie stehen. Genau diese Vorstellungen bleiben auch in neueren Lerntheorien gültig.

Will man wirklich und nachhaltig die Lernqualität fördern und nicht nur kurzfristig die Effektivität des Bestehenden erhöhen, dann eignen sich die Designs von Skinner- und Crowder-Programmen heute nicht mehr, auch dann nicht, wenn sie im Gewand von Expertensystemen auftreten. Denn auch hinter Expertensystemen verbirgt sich grundsätzlich eine verzweigte Programmierung. Natürlich werden diese Programme gekauft, verstärken aber das Bestehende über den Markt und verfestigen die Vorfindlichkeit.

 

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000