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Streiflichter aus der Kognitionsforschung
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Multicodierung und Multimodalität

Mediale Angebote (u.a. in Neuen Medien) zeichnen sich nach Bernd Weidenmann durch absichtsvoll codierte und strukturierte Inhalte aus, wobei die Codierung (multicodal) in konventionalisierten Symbolsystemen erfolgt, die unterschiedliche Sinne (multimodal) ansprechen soll. In der Strukturierung der Inhalte realisiert sich eine "instruktionale" Strategie.

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Naive Annahmen zu Multimedia

Die folgenden Ausführungen beziehen sich insbesonere auf das Lernen mit Neuen Medien. Ein Transfer auf die Lern-Metaphern "Lernen mit allen Sinnen" oder "Lernen mit Kopf, Herz und Hand" sind aber leicht möglich.

Zum Einfluss von Multicodierung und Multimodalität auf den Wissenserwerb deckt Weidenmann einige naive Annahmen auf. Die am meisten verbreitete lautet: "Multimedia spricht mehrere Sinneskanäle an; das verbessert das Behalten." Es ist naiv zu glauben, dass sich die Prozentsätze der beteiligten Sinne einfach summieren (z. B. Hören 20%, Sehen 30%, Hören und Sehen dann 20% + 30% = 50%). Historisch verbirgt sich hinter dieser Annahme auch die Höherwertigkeit der Wahrnehmung eines realen Gegenstandes gegenüber seiner symbolischen Darstellung. Auch hirnphysiologische Befunde werden gerne dahingehend trivialisiert, dass man durch ein gleichzeitiges Angebot von Sprache und Bildern beide Hirnhälften einschalten müsse und damit die Lern- und Behaltensleistung erhöhen können.
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Neben den Sinneskanälen sind die internen Codierungen und spezialisierte "konzeptuelle Systeme" wichtig.
Aus kognitionspsychologischer Sicht, so Weidenmann weiter, sind beim Lernen und Verstehen nicht die jeweils angesprochenen Sinneskanäle wichtig, sondern die "internen" Codierungen und Verarbeitungsprozesse. Durch Lesen eines Textes oder durch Wahrnehmen von Bildern werden die sinnhaften Eindrücke im kognitiven Apparat durch Wortmarken oder Bildmarken repräsentiert und diese sind modalitätsspezifisch: so gibt es beim Hören von Sprache akustische Wortmarken (Phonemik), beim Lesen von Sprache visuelle Wortmarken (Graphemik) und beim Wahrnehmen von Bildern Bildmarken, die das Erscheinungsbild (z. B. in Form, Farbe und Textur) repräsentieren. In Interaktion mit einem ebenfalls auf nonverbale oder verbale Bereiche spezialisierten "konzeptuellen System", wird dann die eigentliche Bedeutung der wahrgenommenen und repräsentierten Inhalte bestimmt.
 
Behaltensvorteil für multicodal präsentierte Information
Empirisch gut belegt ist die positive Wirkung von Illustrationen auf das Behalten von Text. Die förderliche Wirkung wird damit erklärt, dass der Nutzer sogenannte "referentielle Verknüpfungen" zwischen verbalen und visuellen Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis herstellt. Mit der konzeptnäheren Verarbeitung von Bildern und der aufwendigen Enkodierung bei Text-Bild-Kombinationen lässt sich für Weidenmann auch der empirisch gut abgesicherte Befund verstehen, wonach sich ein ergibt.
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Eine Karikatur zur Bedeutung von bereits konstruierten Wissensstrukturen
 
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Entscheidend für das Behalten ist die mentale Anstrengung des Lerners
Die investierte mentale Anstrengung eines Lerners, sich mit dem Lernmaterial auseinanderzusetzen, steht in einer ausgeprägt positiven Beziehung zum Lernerfolg. Es zeigte sich aber z.B. auch, dass beim Lernen mit dem Buch mehr Interferenzen über das unmittelbar Präsentierte hinausgehend gebildet wurden, als beim Betrachten eines Filmes. Rasche Bildsequenzen, also das gleichzeitige Angebote von Sprache, Bildern und Spezialeffekten, erschweren eine intensive Auseinandersetzung. Multimediale Lernangebote werden zwar als angenehm und interessant erlebt, aber u. U. weniger intensiv verarbeitet. So werden bildhafte Darstellungsformen, besonders dann wenn sie durch Bewegung, Form und Farbe realitätsnah sind, eher als leicht rezipierbar wahrgenommen und dann nicht tief genug verarbeitet.
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Gefahr der Überlastung und Interferenzen der Sinne
Beim Einsatz multimedialer Lernangebote sollte man nach Weidenmann also auch die Befunde beachten, dass die Sinne anfällig für Überlastung und Interferenzen sind. Für Multimedia sprechen aber Studien, wonach sich diese Überlastung reduzieren lässt, in dem man das Informationsangebot auf unterschiedliche Sinn-Modalitäten verteilt und unterschiedliche Codierungen benutzt. Derzeit wird bei Lernmaterialien oft nur die visuelle Modalität angesprochen (Texte, Bilder). Die Einbeziehung der auditiven Modalität eröffnet neue attraktive Möglichkeiten. Es wirkt entlastend, wenn komplexe Bilder oder Bilderfolgen nicht ebenfalls visuell (durch Text), sondern auditiv (gesprochener Kommentar) erläutert werden.
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Schlußfolgerungen

Multicodierte und Multimodale Präsentation kann in besonderer Weise eine mentale Multicodierung des Lerngegenstandes durch den Lerner stimmulieren. Dies verbessert die Verfügbarkeit des Wissens.

Mit Multicodierung und Multimodalität gelingt es besonders gut, komplexe authentische Situationen realitätsnah zu präsentieren und den Lerngegenstand aus verschiedenen Perspektiven, in verschiedenen Kontexten und auf unterschiedlichem Abstraktionsniveaus darzustellen. Dies fördert Interesse am Gegenstand, flexibles Denken, die Entwicklung adäquater Modelle und anwendbares Wissen

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Einige Literaturhinweise zur Vertiefung

Weidenmann, Bernd: Multicodierung und Multimodalität im Lernprozeß, in: L.J. Issing und P. Klimsa (Hg): Information und Lernen mit Multimedia, Beltz, Weinheim 1995.
Weidenmann, Bernd: Lernen mit Bildmedien, Weinheim: Beltz, 2. Auflage 1994
Weidenmann, Bernd: Wissenserwerb mit Bildern: Instruktionale Bilder in Printmedien, Film- Video- und Computerprogrammen, Huber, Bern 1994

 

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2002