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Hospitation an der Mittelschule St. Martin in Passeier

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Beispiel Arbeitsunterlagen der Freiarbeit an der MS St. Martin in Passeier  

Als ich am 15.01.2018 an der Mittelschule St. Martin in Passeier hospitierte, setzte ich mir folgende Beobachtungsschwerpunkte: das Arbeitsverhalten der Schüler während der Freiarbeit und deren Arbeitsunterlagen. Dies sind die zwei Aspekte, die mich am reformpädagogischen Arbeitskonzept am meisten interessieren. 

Pünktlich um 09:20, wie vereinbart, begrüßten uns (wir waren insgesamt 5 Hospitierende) drei Schülerinnen der Klasse 2B und führten uns in die Freiarbeit des reformpädagogischen Zuges, dem B-Zug, ein. An der MS St. Martin gibt es verschiedene Räume für die Freiarbeit: den Mathematikraum (die Aula), den Deutschraum (der größte Raum für Freiarbeit), den Italienischraum (die Küche) und den Vorraum, wo die Schüler jede Stunde eine 5-minütige Trinkpause mit ihrem Arbeitspartner (max. zwei Zweierpaare) einlegen können. An der Schule gibt es ca. 9 h Freiarbeit (je nachdem, ob die Unterrichtsstunde 60 oder 90 min dauert).

Freiarbeit wird in den Fächern Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Mathematik, Naturkunde und Italienisch gemacht. Die Schüler arbeiten meist in 2er Gruppen, aber sie können auch alleine arbeiten oder werden zur Einzelarbeit gezwungen (Schüler, die nicht ruhig und konzentriert zu zweit arbeiten können). Die Aufgaben für die Freiarbeit finden die Schüler in Ablegefächern auf eigens vorgesehenen Regalen, einmal zum Nehmen und einmal zum Abgeben; zudem hat jeder Schüler sein eigenes Ablegefach, wo seine Arbeiten und auch Tests von den Lehrpersonen verbessert zurückgelegt werden. Die Schüler verbessern dann die Arbeitsblätter eigenständig mit der eigens vorgesehenen Lösungsmappe, die bei der Lehrperson aufliegt (für jedes Fach eine). Bevor die Lösungsmappe ausgehändigt wird, kontrolliert die Lehrperson, ob die Übungen auch wirklich gemacht worden sind.

Beobachtungsschwerpunkt Arbeitsverhalten der Schüler während der Freiarbeit: Die Schüler arbeiten extrem ruhig und geordnet, keiner führt Zwischengespräche oder beschäftigt sich anderwärtig. Die meisten arbeiten zu zweit, zwei Schüler alleine, die schwachen Schüler setzen sich mit der Lehrperson an einen Tisch und bearbeiten die Arbeitsblätter mit deren Hilfe. Eine Arbeitsgruppe besteht aus einem Mädchen und einem Jungen, sie arbeiten sehr konzentriert, obwohl der Junge eher vom Mädchen abschaut, aber er stellt auch Fragen. Sobald die Lehrperson den Raum aber verlässt, lehnt er sich zurück und blödelt herum.

Insgesamt scheint die Freiarbeit aber wundervoll zu funktionieren. Beim anschließenden Gespräch mit einer Lehrperson erfahren wir jedoch, dass die Gruppe, die uns präsentiert wurde, nur die Hälfte der Klasse war, und zwar die guten Schüler. Normalerweise verläuft die Freiarbeit nicht so ruhig und geordnet. Vor allem wenn zwei Klassen zur gleichen Zeit Freiarbeit haben, ist der Lärmpegel eher hoch und die Schüler bleiben selten sitzen und arbeiten.

Bei einer Klasse sind immer zwei Lehrpersonen anwesend, bei zwei Klassen drei Lehrpersonen, wobei meistens eher Polizist gespielt wird, als schwachen Schülern Hilfe zu leisten. Es gibt bei der Freiarbeit die gleichen Probleme wie beim gebundenen Unterricht (Abschreiben, Unruhe, Motivation), viele Schüler nützen die Freiarbeit zum Nichtstun und lassen sich die Übungsblätter per WhatsApp schicken; ein Schüler musste ganz davon befreit werden, da er nur gestört hat.

Die Lehrperson bestätigt mir zudem, dass Freiarbeit in den Sprachen aufgrund der wenigen Stunden schwierig ist. In Englisch wird in St. Martin Freiarbeit nicht praktiziert, in Italienisch nur eine Stunde und zwar meistens für Textverständnis oder Hörverständnisübungen.  Beobachtungsschwerpunkt Arbeitsunterlagen: Hier gab es auch eine ernüchternde Enttäuschung: Die MS St. Martin wurde uns immer als Koryphäe der Reformpädagogik beschrieben, aber die Freiarbeit besteht hauptsächlich aus Arbeitsblättern, wie auch ich sie in meinem Unterricht verwende. In Italienisch wurden zum Beispiel einfach nur Übungsblätter aus der Klassenlektüre kopiert, in Deutsch werden Arbeitsblätter aus mittelschulvorbereitung.ch verwendet, in Geschichte, Deutsch und Geografie haben die Lehrpersonen die Arbeitsblätter selbst erarbeitet, aber es ist eigentlich nur eigenständiges Erarbeiten der Kapitel im Buch und in Mathematik wurden auch nur Übungsblätter aus einem Buch kopiert.

Fazit: Ich bin mit großen Erwartungen nach St. Martin gefahren, muss aber ehrlich zugestehen, dass ich mir von dieser Schule viel mehr bzw. ganz andere Unterrichtsmethoden erwartet hätte. Es gibt keine große, bemerkenswerte Unterschiede zum Unterricht an meiner Schule. 
 

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Inhaltsübersicht

Aller Anfang ist schwer... 

Erstes Präsenztreffen, erste Informationen zu den Reformpädagogen

Die Wandzeitung nach Freinet

Janusz Korczak - Biografie

Janusz Korczak - Der Reformpädagoge

Rezension "Wie man ein Kind lieben soll" 

Meine ersten Schritte in Richtung Freiarbeit

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Das persönliche Thema

Helen Parkhurst - Biografie

Die Dalton-Pädagogik nach Helen Parkhurst

Rezension "Education on the Dalton Plan"

Meine ersten Versuche, das Konzept des Daltonplans in meinem Unterricht einzubauen

Hospitation an der Mittelschule Gries (BZ)

Meine Konzeptarbeit

Das Leselabyrinth

Reformpädagogische Neuerungen an unserer Schule 

Qualitätskriterien (Teil 1)

Qualitätskriterien (Teil 2)

Fazit des Lehrgangs