Im Jahre 1893 erhielt der indidsche Rechtsanwalt
Mohandas Gandhi eine Stelle, um in Südafrika für
Dada Abdullah gegen Tyeb Shet einen Prozess zu führen.
Beide waren Kaufleute.
"Es war Gandhi recht
früh klar, dass Dada Abdullah den Prozess gewinnen
würde. Allerdings drohten astronomisch hohe Gerichtskosten
auf die beiden Kontrahenten zuzukommen. War es unter
diesen Bedingungen nicht klüger, einen Vergleich
anzustreben? Ein Vergleich half beiden Parteien, das
Gesicht zu wahren. Selbst wenn Dada Abdullah dabei weniger
Geld bekommen würde, als er beanspruchte, so wäre
dies durch die hohen Prozesskosten mehr als wettgemacht.
Nach anfänglichem Zögern
stimmten die beiden prozessierenden Kaufleute Gandhis
Vorschlag zu. Der Vergleich wurde geschlossen, und Dada
Abdullah war schließlich auf Drängen des
Anwalts sogar dazu bereit, seinem Gegner eine Ratenzahlung
zuzugestehen, die für diesen erträglich war.
Gandhi war über diesen Ausgang
des Prozesses überglücklich. Zum ersten Mal
in seinem Leben war es ihm gelungen, ein Gerichtsverfahren
erfolgreich zu beenden. Aber nicht nur das. Es war ihm
auch geglückt, die beiden Parteien wieder miteinander
zu versöhnen."
Die Erfahrungen lehrten Gandhi, dass
Schlichtung ein oft mühevoller und aufreibender,
aber äußerst erfolgreicher Weg sein kann,
um auf friedvolle Weise etwas zu erreichen. Das gelang
ihm, weil er während der Verhandlung bereits beachtete,
wie sich die Beziehungen der Kontrahenten nach der Vermittlung
gestalten würden. (aus: Lange, V.:Mahatma Gandhi,
der gewaltlose Rebell. München,1990; dtv, S. 39
f.)
Für die Schlichtung in der Schule
entnehmen wir hier drei wichtige Punkte:
* Es wird eine Vereinbarung getroffen,
ein Vertrag geschlossen,
* jeder muss die Möglichkeit haben, sein Gesicht
zu wahren und
* beide Parteien können sich versöhnen.
Im Schulalltag erfahren wir oft,
wie schnell aus der "Lösung" eines Konflikts
ein neuer Konflikt entstehen kann. Häufig liegt
das daran, dass jemand, der eine Niederlage erlitten
hat, sehr bald überlegt, wie er es dem Sieger heimzahlen
kann. Das geschieht auch dann, wenn Lehrerinnen und
Lehrer unbeabsichtigt ungerechte Lösungen gefunden
und durchgesetzt haben, beispielsweise eine Strafe verhängt
haben, weil sie schnell "zwischen Tür und
Angel" entscheiden mussten. |