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Delphie Studie zur "Zukünftigen Entwicklung von Lehr- und Lernmedien" - Entwicklungsprognosen für 2010

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Auszüge aus einem Vorabbericht zum Symposium "Neue Medien und Schulentwicklung"
am 25. Februar 2002 an der Universität Bielefeld; Autor: Prof. Dr. Witlof Vollstädt, Kassel im Januar 2002
Eine vollständige Darstellung der Ergebnisse und deren Interpretation sind dem Abschlussbericht des Forschungsvorhabens zu entnehmen.

http://www.paedagogik.uni-bielefeld.de/agn/ag4/WE-LS/Deutsch/Absolv/Delphi

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Zum Anliegen der Studie
Die Delphi-Studie bezieht sich darauf, wie sich die Lehr- und Lernmedien zukünftig entwickeln werden, welche Rolle sie bei der Vermittlung und Aneignung schulischer Allgemeinbildung leisten sollen und können, welche bildungspolitischen, schulpädagogischen und fachdidaktischen Erfordernisse bei der Entwicklung neuer Medien zu berücksichtigen sind. Initiiert und finanziert wurde die vorliegende Delphi-Studie von der Cornelsen-Stiftung "Lehren und Lernen".
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Der Begriff der "Lehr- und Lernmedien" in dieser Studie
Dabei wurden unter "Lehr- und Lernmedien" verstanden: sämtliche Präsentationsformen von Lerninhalten, von den Printmedien bis zu den elektronischen Medien (Folie, Buch, MC, VC, Internet-Online, Offline-Produkte, Hörfunk- und Fernsehsendungen u. a. m.), die Lernende in und außerhalb der Schule zur Informationsaufnahme und -verarbeitung nutzen können.
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Das Delphi-Verfahren
Das Delphi-Verfahren ist eine Forschungsmethode, mit der das Erfahrungswissen von Experten genutzt wird, um Aussagen über zukünftige Entwicklungen zu erhalten. Wesentliche Kennzeichen dieser Methode sind die Mehrstufigkeit der Befragung und die Rückkopplung der jeweiligen Ergebnisse. In der Regel werden die gleichen Fragen durch ausgewählte Experten, die untereinander anonym bleiben und sich damit gegenseitig nicht beeinflussen können, mehrmals bearbeitet.
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Beschreibung der Stichprobe

An der schriftlichen Befragung beteiligten sich in der ersten Runde 93 Experten (Vertreter aus Hochschule, Forschungsinstituten, Praxis, Verlagen und Rundfunk/Fernsehen). An der 3. Befragungsrunde waren immerhin noch 70 Prozent der Experten beteiligt.

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Kurzfassung der Ergebnisse in Form von Thesen

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Die Erwartungen an die zukünftige Entwicklung der Lehr- und Lernmedien und ihre Nutzung liegen zwischen vorsichtigem Optimismus und pessimistischen Befürchtungen.
Die deutlichsten Veränderungen werden bei alle jenen Medien erwartet, die mit der Nutzung des Computers verbunden sind. Vielleicht zeigen sich in der ausgewogenen Position auch die Erfahrungen mit bisherigen Modernisierungstendenzen und ein gewisser Realitätssinn. Immerhin bezweifeln etwa zwei Drittel der Experten, dass ausreichend staatliche Mittel zur Verfügung stehen, um den Bedarf der Schulen an neuen Medien zu erfüllen.
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Es gibt keine Modernisierungseuphorie bezüglich der Lehr- und Lernmedien, auch die bisherigen Medien behalten ihre Bedeutung, verändert werden muss vor allem die Lernkultur.

In der Tendenz erwarten die befragten Experten, dass vor allem die Nutzung der neuen Medien zunehmen wird. Danach folgen mit 40% die Schulbücher und mit etwas weniger Prozentpunkten die übrigen Medien. Lediglich den DIA-Reihen wird kaum noch eine Chance eingeräumt. Die neuen Medien werden als eine innovative Ergänzung und Erweiterung angesehen, die zugleich Chancen für eine veränderte Lernkultur schaffen. Dies erwarten 73 Prozent der Experten. Als Gründe werden die mit neuen Medien verbundenen Lernanforderungen und Lernmöglichkeiten aufgeführt:

  • mehr Selbständigkeit, Eigenaktivität, Selbstorganisation der Lernprozesse
  • individuelle Lernformen sind möglich
  • aber auch mehr soziales Lernen und Teamfähigkeit erforderlich
  • interaktives Arbeiten wird gefördert
  • direktes Feedback ist möglich
  • Rollenverteilung Lehrer/Schüler verändert sich, Schüler übernehmen Lehrfunktionen
  • Aktualität der Inhalte kann problemlos verändert werden
  • schnellerer Zugriff zu Unterrichtsinhalten möglich

Allerdings geben die Experten auch zu bedenken, dass neue Lehr- und Lernmedien nicht automatisch zu einer neuen Lernkultur führen, sondern lediglich die Chance zur Veränderung eröffnen. Die Einstellungen der Lehrkräfte zu den neuen Medien und entsprechende Einsatzkonzepte bzw. Lernarrangements werden maßgeblichen Anteil daran haben, ob die erwarteten Effekte eintreten, ob es zur Veränderung der Lernkultur kommt oder nicht.

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Die Zustimmung zu neuen Medien lässt nicht zwangsläufig auf die persönliche Bereitschaft zur intensiven Nutzung schließen.

Als erforderliche Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer beim Umgang mit neuen Medien wurden erstrangig genannt:

  • Erkennen individueller Lernprobleme der Schüler
  • Zielgerichtete Auswahl und Nutzung der Medien
  • Überprüfung des Wahrheitsgehalts von Informationen
  • Effizientes Suchen und Recherchieren mit dem PC
  • Sichere Bedienung von Standardsoftware
  • Kritische Informationsauswahl

Kompetenter Umgang und kritische Distanz werden gleichermaßen als wichtige Voraussetzungen für den Umgang der Lehrer(innen) mit den Lehr- und Lernmedien angesehen. Lehrkräfte befürchten eine gewisse Entmündigung in ihrer didaktischen Kompetenz durch neue Medien, betonen aber nach wie vor ihre fachliche Kompetenz im Umgang mit ihnen.

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Da von den neuen Lehr- und Lernmedien nur geringe eigene Innovationskräfte erwartet werden, wird deren curriculare Verankerung gewünscht.

Um die eben erläuterte Zurückhaltung von Lehrkräften gegenüber neuen Medien zu überwinden, erwarten fast 80 Prozent der Experten eine verbindliche Verankerung des Umgangs mit ihnen in den Lehrplänen. Als hauptsächliche Begründung wird hierfür der Wunsch nach einem erforderlichen Druckmittel gegen eine gewisse "Entwicklungsresistenz" angegeben. Vielleicht kann so die Fortbildungsbereitschaft der Lehrer(innen) im Umgang mit neuen Medien stimuliert werden.

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Von der Lehrerausbildung wird auch in Zukunft wenig Hilfe bei der Befähigung zum Umgang mit neuen Medien erwartet.

Wenn die staatlichen Lehrpläne wenig Einfluss auf den Umgang mit neuen Medien nehmen, bleibt als Alternative vor allem die Lehreraus- und -fortbildung. Allerdings befürchten fast 70 Prozent der befragten Experten, dass auch künftig in der Lehrerausbildung zu wenig für die systematische Vermittlung von Medienkompetenz getan wird. Diese Befürchtung scheint berechtigt, zumal die befragten Studenten mehrheitlich bestätigten, dass die Fachausbildung bezüglich der Mediennutzung als konventionell und konservativ eingeschätzt wird.

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Weitere Entwicklungstendenzen
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Neue Medien und Lernkultur

Neue Medien ermöglichen und erfordern eine veränderte schulische Lernkultur. Nach Meinung der befragten Experten geht es dabei vor allem um folgende Veränderungen:

  • Erweiterung der Unterrichtsinhalte
  • verstärktes eigenverantwortliches Lernen
  • gemeinsame Planung und Organisation des Unterrichts durch Lehrer und Schüler
  • Öffnung des Unterrichts für außerschulische Lernorte
  • Schülerkooperation und Kommunikation mit dem Lehrer beim Lernen über Internet.

Fast 80 Prozent der Experten vertreten die Auffassung, dass mit neuen Medien tatsächlich eine höhere Qualität des selbstständigen Lernens der Schüler(innen) erreicht werden kann.

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Erforderliche Konsequenzen für die Lehrkräfte

Die veränderte Medienvielfalt beim Lehren und Lernen in der Schule führt nicht nur zur Veränderung der Lernorte und der Lernqualität, sondern beeinflusst auch die didaktisch-methodische Gestaltung schulischer Lernprozesse und erfordert von den Lehrerinnen und Lehrern besondere Kompetenzen. Nach Meinung der befragten Experten müssen die Lehrkräfte vor allem

  • ihre mediendidaktische Kompetenz erheblich erweitern
  • weniger Informationen und Instruktionen, dafür mehr Lernberatung geben
  • zukünftig Lernprozesse stärker moderieren als leiten
  • verstärkt Gruppenarbeit anbieten und organisieren.
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Die didaktischen Aufgaben der Lehrer(innen) werden nach Meinung der Experten differenzierter und spezieller.

Der Bedarf an sozialpädagogischer Beratung in der Schule wird wachsen. Mehrfach wurde Teamfähigkeit und interdisziplinäres Arbeiten der Lehrerinnen und Lehrer als wichtige Voraussetzungen genannt. Der Umgang mit neuen Medien sollte fester Bestandteil der Lehrerausbildung sein. In Fortbildungsveranstaltungen sollten verstärkt medienpädagogische Kenntnisse vermittelt werden, wobei der Anteil schulinterner Fortbildung deutlich wachsen müsste. In solchen Fortbildungsveranstaltungen sollte es vor allem um folgende Kompetenzen gehen:

  • Erkennen individueller Lernprobleme der Schüler
  • zielgerichtete Auswahl und Nutzung der Medien
  • Sichere Bedienung von Standardsoftware
  • Kritische Informationsauswahl
  • Überprüfung des Wahrheitsgehalts von Informationen
  • Effizientes Suchen und Recherchieren mit dem PC
  • Kenntnis und Beherrschung von Präsentationstechniken
  • Sichere Anwendung fachspezifischer Software
  • Auswahl geeigneter Medien für die jeweiligen Lehrinhalte
  • Kenntnisse über Mediennutzung von Jugendlichen
  • Förderung der Konzentrationsfähigkeit der Schüler
  • Fähigkeit zur Binnendifferenzierung
  • Moderationsfähigkeiten
  • Fähigkeiten zur Lernberatung
  • Entwicklung von Bewertungsverfahren für die mit neuen Medien erbrachten Leistungen
  • Fähigkeiten zum Methodentraining
  • gute Kenntnisse der englischen Sprache
  • Kenntnisse über psychologische Grundlagen des Lernens mit Medien
  • Erkennen und Beheben einfacher technischer Störungen von neuen Medien
  • Fähigkeiten zu Pädagogischer Diagnostik

Da Grundkenntnisse in Informatik von den Lehrerinnen und Lehrer mit geringer Bedeutung eingestuft wurden, kann angenommen werden, dass die neuen Medien stärker anwendungsbezogen genutzt werden.

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Notwendige Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler

Auch die Schülerinnen und Schüler benötigen zum effektiven Lernen mit neuen Lehr- und Lernmedien besondere Kompetenzen.
(Die Zahl hinter der Kompetenz bedeutet einen Mittelwert von: voller Zustimmung (1) bis voller Ablehnung (6))

  • Kritische Informationsauswahl 1,4
  • Überprüfung des Wahrheitsgehalts von Informationen 1,4
  • Sichere Bedienung von Standardsoftware 1,5
  • Effizientes Suchen und Recherchieren mit dem PC 1,5
  • Zielgerichtete Auswahl und Nutzung der Medien 1,5
  • Differenzierung von realer und virtueller Welt 1,6
  • Kritisches Reflexionsvermögen 1,6
  • E-Mail versenden und empfangen 1,6
  • Neugier und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Medien 1,8
  • Experimentierfreude 1,8
  • Problemlösungskompetenz 1,8
  • Fähigkeit zur Auswahl der effektivsten Arbeitsmethode 1,8
  • Informationsgewinnung durch "Lesen" von Tabellen/ Bildern 1,8
  • Nutzung der Medienvielfalt zur Präsentation eigener Arbeitsergebnisse 1,8
  • Konzentrationsfähigkeit 1,9
  • Analytisches Vorgehen 1,9
  • Kreativität 2,0
  • Abstraktionsvermögen 2,0
  • Gute Kenntnisse der englischen Sprache 2,0
  • Selbstbestimmtes Lernen 2,0
  • Teamfähigkeit 2,2
  • Fähigkeit zu kooperativem Lernen 2,2
  • Datenschutz im Umgang mit neuen Medien 2,2
  • Darstellung/Präsentation auch komplexer Inhalte 2,2
  • Sprachliches Ausdrucksvermögen 2,3
  • Netiquette (Verhaltensregeln im Internet) 2,3
  • Soziale Kompetenz 2,4
  • Internetbezogene Sprachkenntnisse 2,4
  • Forscherdrang 2,5

In allen drei Befragungsrunden zeigten die Antworten deutliche Diskrepanzen zwischen den Notwendigkeiten/Erfordernissen neuer Medien für schulisches Lernen und den Erwartungen an die künftige Realität in den staatlichen Schulen. Schulpolitische Konsequenzen werden erwartet, die sich nicht nur auf die Ausstattung mit der erforderlichen Hardware beziehen. Vor allem wird eine Veränderung des Arbeitszeitmodells der Lehrer(innen) erwartet, weil sich auch die Lehrerarbeit durch den Umgang mit neuen Medien erheblich verändert. So wird z. B. angenommen, dass Lehrer zukünftig auch an Nachmittagen in der Schule präsent sein müssen.

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Literatur:
Bildungsministerium für Bildung und Forschung: Delphi-Befragung 1996/1998. Potentiale und Dimensionen der Wissensgesellschaft - Auswirkungen auf Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen. Endbericht. Basel 1998.
Reinmann-Rothmeier, Gabi/Mandl, Heinz: Wissensmanagement. Eine Delphi-Studie (Forschungsbericht Nr. 90). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, 1998.
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© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000