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Tourismus

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Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges sehnt man sich in Europa nach heiler Welt. Nach Sonne, Süden und rotem Wein. Das Wirtschaftswunder verleiht dem Fernweh Flügel, Urlaub wird ein Recht für alle Schichten. Der Tourismus wird ein Massenphänomen.

Eine Privatzimmervermieterin schreibt 1973 folgenden Brief an ihre Schwester:

St. Leonhard, den 13. Juni 1973

Liebe Anna,

endlich habe ich Zeit, Dir ein paar Zeilen zu schreiben. Stell Dir vor, seit zwei Jahren sind wir stolze Besitzer eines Garni. Wir haben am Hof ein paar Kammern ausgeräumt, Doppelbetten, Nachtkästchen und einen Kasten hineingestellt. Drei Fremdenzimmer haben wir jetzt. In der Hochsaison richten wir auch die Kammern der Kinder als Fremdenzimmer her. Die Kleinen bringen wir dann zur Oma.

Die Fremden, die in unser Garni kommen, sind Deutsche. Die kommen mit dem eigenen Auto und müssen unterwegs zwei Mal übernachten, bevor sie bei uns sind. Stell dir das vor! Sie bringen auch Kleider für die Kinder mit, darüber sind mein Franz und ich recht froh. Du weißt ja, alles kostet viel Geld. Viele Familien lassen dann sogar ein paar Spielsachen für unsere Kinder zurück.

Die Deutschen sind gut zu haben. Am Tag sind sie meistens beim Wandern, mit den Bundhosen, den roten Socken und den rot karierten Hemden schauen sie ganz fesch aus. Am frühen Nachmittag kommen sie dann zurück und richten sich in der Stube etwas zum Essen her. Am Abend wollen sie dann in der Stube zusammensitzen, mit uns ratschen und ein Glasl trinken. Der Wein, der schmeckt ihnen besonders gut. Jedes mal singen sie „Kennst du die Perle, die Perle Tirols ...“. Oft wird es dann recht spät; der Franz und ich müssen aber früh aus den Federn. Er geht in den Stall und ich muss zur normalen Hausarbeit auch noch die Fremdenzimmer aufräumen.

Oft ist es mir schon zu viel, aber es ist auch recht interessant mit den Fremden. Über das Geld, das sie uns für ein Zimmer mit Frühstück geben, bin ich recht froh. Der Franz ist mir oft neidisch. Stell dir vor: Für die Fremdenzimmer nehme ich im Jahr mehr ein, als der Franz mit der Landwirtschaft. Vielleicht können wir uns bald einen Fernseher kaufen!

Schreib mir doch einmal. Inzwischen wünsch ich dir alles Gute, komm uns bitte besuchen, am besten nach der Saison, da haben wir alle mehr Zeit.

Deine Maria


Literatur:
http://www.touriseum.it/
Josef Rohrer, Zimmer frei. Das Buch zum Touriseum, Bozen 2003
Josef Rohrer, Camere libere. Il libro del Touriseum, Bolzano 2003
Elfi Fritsche/Gudrun Sulzenbacher (Hrsg.), Reise-Zeiten. Zur Geschichte des Tourismus in Tirol, Bozen 2004
Elfi Fritsche/Gudrun Sulzenbacher (a cura di)), I viaggi nel tempo. Storia del turismo in Tirolo, Bolzano 2004
         
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