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Wie moralisch ist Politik?
Blicke: Wahrheit/Wahrhaftigkeit sowie Raubtierkapitalismus und Menschenrechte

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The bill of rights im
 
Déclaration des Droits
de l'Homme et du Citoyen 1789
 
Lincoln Memorial, Washington
   
     
Mit der Wahrheit lügen -
Politiker fühlen sich oft zur Unwahrheit genötigt

von Julian Nida-Rümelin
(in Auszügen) DIE ZEIT 3/2003

  "Dass Politik ein schmutziges Geschäft sei, ist eine vertraute Überzeugung ... Wahlen werden mit Lug und Trug gewonnen ... Politik habe mit Wahrheit nichts zu tun, ...
Meine These lautet: Es wird in der Politik nicht mehr gelogen als in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, ... In der Politik wird schon deshalb nicht mehr, sondern eher weniger gelogen als in anderen gesellschaftlichen Bereichen, weil es hier ein ausgeklügeltes System der Kontrolle politischer Äußerungen gibt. ...
Politiker lügen selten, aber umso häufiger verletzen sie das moralische Gebot der Wahrhaftigkeit. Um dieses Urteil plausibel zu machen, ist es notwendig, auf den Unterschied zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit bzw. Lüge und Unwahrhaftigkeit näher einzugehen. ...
Dass man wahrhaftig sein kann, ohne die Wahrheit zu sagen, liegt auf der Hand, denn man kann eine Auskunft "besten Wissens" geben und sich dennoch irren. Wer lügt, sagt wissentlich die Unwahrheit. .... Wenn Fritz sagt, dass p tatsächlich wahr ist, Fritz aber erwartet, dass seine Äußerung bei den Adressaten irrtümliche Überzeugungen hervorruft, dann ist Fritz unwahrhaftig, obwohl er der Lüge nicht bezichtigt werden kann. ....
Die Methode, mit wahren Aussagen unwahrhaftig zu sein, hat es in der Politik zu einer gewissen Perfektion gebracht. ...
Die politische Rede ist (z.B.) auf prägnante Kürze angewiesen. Es sind nur wenige einfache Botschaften, die außerhalb der kleinen Kreise von speziell Interessierten Wirkung entfalten können. ... Je verdichteter aber die Botschaft ist, desto größer allerdings ist der implizite Gehalt und daher desto größer das Risiko und die Versuchung, mit wahren Aussagen unwahrhaftig zu sein. ....
Die Bestrafung politischer Wahrhaftigkeit bei Wahlen hat die politische Klasse gelehrt, dass Wahrheit nur noch in homöopathischen Dosen verabreicht werden darf. Lügen werden dabei, wenn es geht, vermieden, aber es fehlt an Wahrhaftigkeit, aus der allein politische Gestaltungskraft wachsen kann. ...."
     
Die fünfte Gewalt -
Lobbyisten haben so viel Einfluss wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik

Ein Beitrag von Joachim Wagner als Beispiel für viele ähnliche auch in anderen Ländern
(in Auszügen) DIE ZEIT 45/2003

  "Die Zahl der beim Bundestag eingetragenen Lobbyverbände hat inzwischen eine Rekordmarke erreicht: 1781. Mit der Registrierung erhalten sie das Recht, am Gesetzgebungsverfahren beteiligt zu werden. ... Bürgen fünf Abgeordnete oder ein Fraktionsvorsitzender für einen Lobbyisten, kann er einen Hausausweis für den Bundestag bekommen. Das heißt: freier Zugang zu den Abgeordnetenbüros. ... Noch immer sind der BDA und der BDI und die DIHK die wichtigsten Lobbys. Aber inzwischen unterhalten fast alle Dax-30-Unternehmen auch eigene Hauptstadtbüros ...
"Geld in Umschlägen unter dem Tisch", das mache man heute nicht mehr, sagt TUI-Vertreter Zumpfort. "Unsere Mittel sind Information und Kommunikation." ...
Wenn nicht am Geld, woran liegt es dann, dass der Lobbyismus in Berlin erfolgreicher als in Bonn zu sein scheint? Der Grund sei die Professionalisierung der Branche, sagt eine Managementberaterin. Minister, Staatssekretäre, Büroleiter, Pressesprecher und Journalisten haben die Seiten gewechselt und stellen ihre Erfahrung der Lobby zur Verfügung. ...
Doch die Rolle der Lobbyisten beschränkt sich nicht darauf, Gesetze zu verhindern - nein, sie gestalten durchaus aktiv das politische Geschehen. In den Ministerein ist es inzwischen üblich, Verbände und Unternehmen bei wichtigen Entscheidungen frühzeitig anzusprechen. Bisweilen erhalten Lobbyisten die Rohentwürfe von Gesetzestexten früher als die Bundestagsabgeordneten. ...."
 
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Das Gesetz des Dschungels -
Ein Plädoyer für mehr Moral

Ein Beitrag von Helmut Schmidt
als Beispiel für viele ähnliche auch in anderen Ländern
(in Auszügen)
DIE ZEIT 50/2003

"Der Raubtierkapitalismus bedroht die offene Gesellschaft."

  "... Seit dem Frühjahr des Jahres 2000 haben die Betrügereien gewaltig zugenommen. Damals begann der Absturz der Aktionkurse in Nordamerika und in Europa, bei dem die US-Börse nicht ganz die Hälfte, die deutsche Börse sogar zwei Drittel ihres Wertes verlor. ... Man hatte sich der Illusion ständig steigender Aktionkurse hingegeben. ... Als dann der Absturz erkennbar wurde, haben allzu viele zunächst der Versuchung zum Vertuschen von Fehlern und vielfach auch von Betrügereien nachgegeben.
... BDI-Präsident Rogowski hat deshalb verlangt: "Auch Topmanager haben sich am Begriff des ehrbaren Kaufmanns zu orientieren."
... Millionen Amerikaner haben in den vergangenen Jahren im Vertrauen auf Fondsmanager ehebliche Teile ihrer Alterspension verloren. In Deutschland ist das Vertrauen des allgemeinen Publikums in unseren Kapitalmarkt derzeit vermutlich noch geringer. ....
... Es ist Unfug, zu behaupten, die exorbitanten Vergütungen einiger deutscher Spitzenmanager seien aus Gründen des Wettbewerbs mit den USA notwendig, denn tatsächlich ist bisher noch kein deutscher Spitzenmann von einem amerikanischen Konzern mittels höherer Vergütung abgeworben worden.
... Privatwirtschaftliche und gewerkschaftliche Manager haben gemeinsam Hunderttausende vorzeitig in die Rente geschickt und auf diese Weise umfangreiche Streichungen von Arbeitsplätzen ermöglicht. Diese beschönigend "soziale Abfederung" genannte Praxis ist in ihrer gesamtwirtschaftlichen Auswirkung keinesweg sozial; denn sie hat die heutige Misere der staatlichen Rentenversicherung wesentlich verschärft. ...
Der rücksichtslose Gebrauch der Macht einiger Manager großer Verbände, Konzerne, Geldinstitute und Medienkomplexe kann zu einer ernsten Gefahr für den Bestand der offenen Gesellschaft werden. .... Manches tut man einfach nicht ..... Manche Topmanager vergessen allen Anstand. "
Diesem Bericht von Helmut Schmidt aus dem Jahr 2003 könnten heute, im Jahr 2008, unter der Überschrift "Die Gier der Heuschrecken" viele weitere hinzugefügt werden. Siehe: "Heuschrecken" in der Börse mit fatale Wirkungen
Eine Zähmung der "globalen Raubtiere" gelingt den Regierungen heute (Jahr 2008) nur dann, wenn sie mit der Verhinderung eines neuen Crash's verbindliche Regeln für diese Art des Kapitalismus einführen.
     
 
 
     
Online Umfrage
der Unternehmensberatung McKinsey, des Sterns
und von AOL zum Misstrauen bzw. zum Verbesserungsbedarf in Organisationen (Auszüge)

Angaben in Prozent bei insgesamt 450 000 Befragten.
 
Organisation
Misstrauen
Verbesserungsbedarf
Greenpace
16,8
15,9
evangelische Kirche
25,8
19,9
Diakonie
15,9
20,9
Caritas
14,7
23,5
katholische Kirche
45,7
38,1
Polizei
7,2
49,9
Gewerkschaften
42,7
56,7
Deutscher Bundestag
49
80,5
Politische Parteien
67,9
86,4
 
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Vertrauen in Deutschland
- eine Ermutigung

Die Berliner Rede von Bundespräsident Johannes Rau vom 12.5.04 als ein Beispiel für viele ähnliche (in Auszügen)

  "... Seit Jahren schon wird uns ein Bild immer wieder vor Augen gestellt: Wir stehen vor einem riesigen Berg von Aufgaben und Problemen. ... Wenn wir nicht alles anders machen als bisher, so drohen uns, heißt es, Niedergang ... oder andere Katastrophen.
Untergangszenarien ... sind (aber) eigentlich Mittel von politischen Außenseitern, die gesellschaftliche Veränderungen erzwingen wollen.
Heute kommen solche Beschreibungen oft auch von Verantwortlichen aus der Mitte von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. ...
Heute, da so viel von Zukunft die Rede ist, ist so wenig ... Vertrauen in die Zukunft zu spüren. ... Entscheidend ist aber: Wo Vertrauen fehlt, regiert Unsicherheit, ja Angst.
... Ich wüsste kein Land, in dem so viele Verantwortliche und Funktionsträger mit so großer Lust so schlecht, so negativ über das eigene Land sprechen, wie das bei uns in Deutschland geschieht. ...
Der Vertrauensverlust in unserem Land hat aber auch ganz handfeste Gründe. ... Wir müssen zum Beispiel erleben, dass einige, die in wirtschaftlicher oder öffentlicher Veranwortung stehen, ungeniert in die eigene Tasche wirtschaften. Das Gefühl für das, was richtig und angemessen ist, scheint oft verloren gegangen zu sein. ... Allzu oft wird das Gemeinwohl vorgeschoben, wo es um nichts anderes geht als um Gruppenegoismus, um Verbandsinteressen oder gar um erpresserische Lobbyarbeit. ...
Eine wichtige Grundlage für Enscheidungen, die heute getroffen werden müssen, sind Prognosen und Voraussagen. Auch hier wachsen Zweifel: Welche Prognosen sind seriös? Werden Voraussagen, die für die meisten Menschen handfeste Folgen haben, wirklich immer nach bestem Wissen und Gewissen gemacht? Sind sie nicht oft interessengeleitet? ....
Die Medien spielen in der demokratischen Gesellschaft eine besonders wichtige Rolle als Kontrollinstanz. Sie tragen besondere Verantwortung. ... Wir müssen aber darauf vertrauen können, dass das Bild, das sie uns von der Welt zeigen, einigermaßen mit der Wirklichkeit übereinstimmt. ... Auch hier haben viele Menschen inzwischen viel Vertrauen verloren. Sie haben gelernt, dass man nicht nur mit Schlagzeilen, sondern mit Bildern lügen kann, dass halbe Wahrheiten oft schlimmer sind als ganze Lügen, dass nicht alle Themen, die groß aufgemacht werden, wirklich wichtig sind. ..."
Die komplette Rede ist zu finden unter: www.bundespraesident.de
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