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Hypermediale Wissensdarstellung:
Lernen durch Schreiben und Lesen

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Wissen und Information
 

Die beiden Begriffe Wissen und Information sowie Wissens- oder Informations-Darstellung werden in alltäglichen Gesprächen in der Regel nicht auseinander gehalten. Im Kontext der Gestaltung von Neuen Medien und insbesondere von Bildungsservern ist dies aber sehr nützlich.

Wird von einer Wissens-Darstellung gesprochen, dann ist dies zunächst die Sichtweise einer "schreibenden" Person. Sie hat individuelles Wissen erworben, also subjektiv konstruiert und will es nun in einer Dar-Stellung weitergeben: mündlich oder schriftlich, in einer Vorlesung oder einer multimedialen Show, in einem Buch oder in einem Hypermedium (im WWW oder auf einer CD-ROM).

Aus der Sicht einer "lesenden" Person - ob sie in einem Buch oder in einem Hypermedium liest - muss von einer Informations-Darstellung gesprochen werden. Denn "Leserinnen" und "Leser" nehmen nicht Wissen, sondern Informationen mit ihren Sinnen auf, die erst durch Interpretieren (Kontextualisieren) und Bewerten in individuellen Gehirnen wieder zu subjektiv konstruiertem Wissen werden.

Wie das Wissen in individuellen Gehirnen, so sind auch Wissens-Darstellungen auf unterschiedlichen Trägern verteilt. Natürlich kann man versuchen, intersubjektiv konstruiertes Wissen kooperativ in einer Wissensdarstellung aufzuschreiben; also einen "Text" zu entwerfen, der von allen Beteiligten geteilt wird.

     
Schreiben von hypermedialen Wissensdarstellungen
 

Schreiben von hypermedialen Wissensdarstellungen (auch Hypermedien genannt) bedeutet kurz gesagt, dass multimedial codierte Informationen zu einem neuen Ganzen 'komponiert' werden.
siehe "Erweiterte Kulturtechnik: Schreiben"

     
semiotische Betrachtung   Die einzelnen Informations-Bausteine, aus denen sich die Seiten eines Hypermediums zusammensetzen, lassen sich entsprechend den menschlichen Wahrnehmungs-Organen "Auge" und "Ohr" in visuelle und auditive Zeichen(-Reihen) unterscheiden: u.a. in Buchstaben, Sätzen, Rechenzeichen, Farbbildern und Bewegtbildern sowie in Stimmen, Geräuschen, Musikstücken und Rhythmen. Alle diese multimedialen Bausteine können aber in zeitlich voneinander abhängiger Folge wahrnehmbar gemacht werden, was wiederum bedeutet, dass auch der Zeittakt ein weiterer wichtiger semiotischer Grundbaustein für das Schreiben sein kann.
     
syntaktisch-semantische Betrachtung   Für alle multimedialen Codierungen gelten auch weiterhin die bisher gültigen orthografischen und grammatischen Regeln. Darüberhinaus können nun aber die Bausteine auch hierarchisch, sequenziell, kreisartig oder netzartig miteinander verbunden (verlinkt) werden. Und auch diese neue syntaktische Möglichkeit transportiert inhaltliche Bedeutungen. Es sind die Bedeutungen, die bei der Setzung der Verbindungen durch die "Schreibenden" gedacht worden sind. Das können sachlogische Zusammenhänge und funktionale Wechselwirkungen sowie moralisch fundierte Einstellungen und ethisch normierte Werthaltungen sein. Die Bedeutungen lassen sich in Metadokumenten, die in Metaebenen (sitemaps) organisiert sind, darstellen.
     
pragmatisch-pädagogische Betrachtung   In einem Hypermedium können u.a. komplexe Sachzusammenhänge, wertbezogene Welterklärungen oder auch chronologische Geschichtsentwicklungen in neuer Weise aufge"schrieben" werden. Auch phantastische Geschichten und fiktionale Erzählungen sowie "virtuelle" Spiele können in dieser neuen "Schrift"-Form gestaltet werden. Hypermedien können für ganz unterschiedliche, pragmatische Zwecke produziert werden, zum Beispiel: um kognitive Erkenntnisse oder emotionale Befindlichkeiten weiterzugeben oder um soziale Prozesse bewusster zu machen. Mit hypermedialen 'Texten' im Internet kann sogar eine weltweite Öffentlichtkeit hergestellt werden, die vielleicht dabei helfen kann, zwischen den bisher relativ abgeschotteten, weltanschaulichen Kulturen und gesellschaftlichen Systemen, einen Diskurs herzustellen. Die Produktion eines Hypermediums ergänzt nicht nur die alten Schreib-Möglichkeiten, sondern evolviert sie qualitativ in Richtung einer neuen Kulturtechnik.
     
bessere Verfügbarkeit des
Wissens
realitätsnähere Darstellung
komplexer Sachverhalte
 

Für eine multicodale Aufbereitung von Informationen spricht nach Weidenmann (1995):

  • dass "multicodierte ... Präsentationen in besonderer Weise eine mentale Multicodierung des Lerngegenstandes durch den Lerner stimulieren können. Dies verbessert die Verfügbarkeit des Wissens."
  • dass "es mit Multicodierung ... besonders gut gelingt, komplexe authentische Situationen realitätsnah zu präsentieren und den Lerngegenstand aus verschiedenen Perspektiven, in verschiedenen Kontexten und auf unterschiedlichem Abstraktionsniveaus darzustellen. Dies fördert Interesse am Gegenstand, flexibles Denken, die Entwicklung adäquater Modelle und anwendbares Wissen."
     
Lesen in Wissensdarstellungen


"lineares" Lesen
 

Wissens-Darstellungen in Form von bisher gewohnten Texten sind linear strukturiert und werden in europäischen Kulturen von links nach rechts und in der Regel Satz für Satz und Seite nach Seite gelesen. LeserInnen können aber aus der linearen Struktur eine "kreisförmige" machen, indem sie zunächst linear fortschreitend lesen, dann aber zurückspringen und noch einmal voran schreiten. Filme sind ebenfalls linear organisierte Medien. Auch in ihnen können die "LeserInnen" nur dann in einfacher Weise zurückspringen, wenn sie den Film auf einem Videoband verfügbar haben und einen Videorecorder besitzen. Ähnliches gilt für die Hörmedien. Wissensdarstellungen im Internet sind in der Regel hierarchisch organisiert, was nicht ausschließt, dass die einzelnen und teilweise sehr langen Dokumente linear strukturiert sind. Und Bilder in diesen Texten lediglich die Funktion eines "Augenfängers" und sonst keine weitere inhaltliche Bedeutung haben.

In linearen bis verzweigten Wissensdarstellungen sind die Lese-Wege aus der Sicht der Verfasser vorgegeben, aber die "LeserInnen" können diese linearen Darstellungen eigenaktiv und kreativ in andere umwandeln, was in der Regel auch geschieht.

     
"verzweigtes"
und "vernetztes" Lesen
  In hypermedialen Wissensdarstellungen können dagegen - qua Vernetzung - die möglichen Lese-Wege in die Millionen gehen. Daher ist dann der Lese-Weg aus der Sicht der Verfasser (im Gegensatz zu den linearen Darstellungen) nicht mehr vorgegeben. Er muss immer und in jedem Fall von den "Leserinnen" und "Lesern" selbst bestimmt werden. Die konstruktive Anforderung beim Lesen wird dadurch höher, was auch zur Folge hat, dass die Eigenaktivität steigen muss. Der mit dem Lesen verbundene Lernprozess wird somit intensiver.
     
"qualitätsvolleres"
Lernen
 

Das "Lesen" in elaboriert gestalteten, hypermedialen Wissensdarstellungen hat aber auch den Zweck: das Wahrnehmen, Erkennen und Verstehen von immer komplexeren Sach- und Sinnzusammenhängen zu fördern (vgl. Weidenmann).

Sind Wissensdarstellungen multimedial gestaltet, so ist dies nach vorliegenden Untersuchungen [u.a. LSW 1994] ein wichtiger Schritt zur Anregung von positiven Gefühlen. Und Gefühle sind unverhinderbar und immer bei Kognitionen beteiligt. Es wird daher nicht behauptet, dass man mit linear strukturierten, multimedialen Wissensdarstellungen nicht auch besser lernen kann. Aber es ist fraglich, ob alleine mit dieser multimedialen Darstellung ein genereller, qualitativer Mehrwert erzeugt werden kann. Dieser Mehrwert wird aber erwartet beim Einsatz von hypermedialen Lern- und Arbeitsumgebungen in konstruktiv organisierten Lernumgebungen. Hypermediale Wissendarstellungen "erzwingen" in solchen Umgebungen - insbesondere wegen ihrer vernetzten Struktur - gewissermaßen eine Blickwende vom Lehren zum Lernen: eine Wende von der Instruktion zur Konstruktion. Hypermediale Arbeitsumgebungen passen daher auch nicht in einen ausschließlich-instruktionalen Unterricht, was aber nichts darüber aussagt, dass sie so "gebraucht" werden können.

     
Bedeutung der Metadokumente in Metaebenen für das Lernen   Hypermedial aufbereitete Wissensdarstellungen (müssen) enthalten Meta-Dokumente, die in Metaebenen (gewissermaßen) oberhalb der themenorientierten Wissensbasis angeordnet sind. Meta-Dokumente vermitteln ein strukturiertes Orientierungswissen in einer neuen Komplexität und helfen somit dabei, die Komplexität selbsttätig zu "elementarisieren" und individuelle Anknüpfungen für Lernwege in der hypermedialen Basisebene zu (er)finden. Sie helfen mit dabei individuelle Fragen zu generieren. Situationsorientierte und realitätsnahe Wissensdarstellungen organisieren die Interessen und somit die Zielrichtungen der Exploration. Ist dies der Fall, dann werden geeignete Informationen von den Lernenden - in Kommunikation mit sich selbst oder mit anderen - eigenaktiv ausgewählt. Die Lernenden - auch die langsamen - bestimmen dann ihren eigenen Lernweg: ihre Konstruktion von Wissen.
     
Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung:  

Computer und Unterricht, Heft "Verändertes Lernen" 1996 und Heft "Erweiterte Kulturtechnik: Schreiben", 1997, Friedrich Verlag
Glasersfeld von, E.: Wege des Wissens: konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken, Heidelberg 1997
Kerres, M.: Multimediale und telemediale Lernumgebungen, Konzeption und Entwicklung, Oldernbourg, 1998

Kösel, E.: Die Modellierung von Lernwelten: ein Handbuch zur subjektiven Didaktik, Laub, Eltztal-Dallau 1997
Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hg): Gestaltung von Hypermedia-Arbeitsumgebungen - Lernen in Sinn- und Sachzusammenhängen, Soest 1994
Weidenmann, Bernd: Multicodierung und Multimodalität im Lernprozeß, in: L.J. Issing und P. Klimsa (Hg): Information und Lernen mit Multimedia, Beltz, Weinheim 1995

           

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000