| „Lipari? Was hat die äolische Insel mit   Josef Noldin zu tun?“ fragt Franca ihren Freund Erwin aus Salurn. „Warte ab. Ich   habe erst vor kurzem im Deutschunterricht ein Referat über den berühmten   Salurner Rechtsanwalt gehalten." 
 Josef Noldin wurde am 25. November 1888   in Salurn geboren. Seine Mutter Amalie Mayer stammte aus dem Norden Tirols; sein   Vater Carl Noldin aus einer alten Salurner Weinbauernfamilie, die aus dem   Deutschnonsberg zugewandert war. Die Familie gehörte zu den begütertsten und   angesehensten Familien des Ortes. In Salurn verbrachte Josef zwischen dem Familiensitz im Dorf und dem Sommerhaus in Kerschbaum eine unbeschwerte Jugend. Er hatte   vier Geschwister: Luis, Ida, Annaliese und Helene.
 
 Josef Noldin wurde in   der Zeit des Habsburgerreiches geboren. Das österreichische Kronland Tirol   bestand 1888 aus Nord- und Südtirol und dem Trentino (Welschtirol). Um die   Jahrhundertwende gab es in Trient und Rovereto die irredentistische Bewegung.   Die Irredenta war Ende 1877 vom Neapolitaner Matteo Renato Imbriani in Rom   gegründet worden. Das Ziel der Irredenta war die Schaffung eines freien   italienischen Nationalstaates und der Angliederung aller von Italienern   bewohnten Gebiete an das Königreich Italien. Im Trentino gab es unter den   Intellektuellen, dem liberalen Bürgertum und den Sozialisten Anhänger der   Irredenta.
 
 
  Kerschbaum oberhalb von Salurn
 Josef oder   „Beppo“, wie ihn die Freunde nannten, war der jüngste der Familie. Deshalb   durfte er als einziger studieren. Als ersten Studienort hatte der Vater Trient   bestimmt, das um die Jahrhundertwende immer mehr unter den Bann der „Irredenta“   geriet. Außerhalb des dortigen deutschen Gymnasiums erlebten die Buben den Drang   der Vereinigung mit dem Königreich Italien, die Verspottung des alten   Österreich, die Ablehnung der „Fremdherrschaft“. All das ging nicht spurlos an   Noldin vorüber. Die deutschen Buben trugen das Bild des Kaisers mit sich und   schwuren ihrem Volk die Treue.
 
 
  Noldin als   Gymnasiast
 Auf Wunsch seines Vaters wechselte Josef Noldin auf das Gymnasium   in Feldkirch und verbrachte dann das vorletzte Jahr in Rovereto, wo die   Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und „Welschen“ nicht so arg waren. Am Bozner Franziskanergymnasium beendete Josef Noldin im Jahr 1906 seine   Gymnasialzeit mit Auszeichnung.Ein Jahr darauf, nach Ableistung des   Militärdienstes bei den Kaiserjägern, inskribierte Noldin an der rechts- und   staatswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck.
 Dort spürte er den Kampf   zwischen Konservativen und Liberalen, aber auch den Autonomieanspruch der   Trentiner, die eine eigene Universität forderten. Noldin engagierte sich bei der   Katholischen Studentenvereinigung Tirolia. 1912 promovierte er mit Auszeichnung.
 
 
  Noldin als Student in Innsbruck
 Nach einem   Gerichtspraktikum beim Kriegsgericht in Trient ging Noldin nach Mezzolombardo.   Bei der bekannten Anwaltschaft Osanna konnte er seine Italienischkenntnisse   aufbessern. Anschließend eröffnete Noldin eine Anwaltskanzlei in   Salurn.
 Als die deutsche Sprache an den Südtiroler Schulen 1923 verboten   wurde, organisierte er mit Michael Gamper Privatschulen,sogenannte Katakombenschulen  um den deutschsprachigen Unterricht zu ermöglichen.
 Deshalb wurde er 1925 zu   Haft- und Geldstrafen verurteilt und 1927 auf die Insel Lipari (Sizilien)   verbannt.
 Nach seiner Freilassung 1928 kehrte er nach Salurn zurück. Er   wurde mit Berufs- und Ausreiseverbot bestraft.
 Am 14. Dezember 1929 starb   Noldin 41-jährig an den Folgen der Krankheit, die er sich während der Verbannung   zugezogen hatte.
 Auf seinem letzten Weg in Salurn begleiteten ihn Tausende,   kein deutsches Wort durfte gesprochen, kein deutsches Lied gesungen werden. Auf   seinem Grabkreuz durften nur seine Initialen stehen.
 Noldin hinterließ   seine Frau Mela und die vier Kinder Karl, Traudl, Heinz und Werner.
 Seine   inzwischen verstorbene Tochter Traudl war mit dem Südtiroler Politiker Alfons   Benedikter verheiratet.
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