„Hoh!!“, schrie der Wagenführer, um die eh schon langsamen   Ochsen noch mehr zu bremsen. Der Weg bergan zum Pass ließ nur Schritttempo zu,   bald würde gar nichts mehr gehen, dann hieß es aussteigen. Die Fräulein, wie sie   die Fuhrleute nannten, wurden im ungefederten Ochsenwagen bei jedem Stein und   Schlagloch heftig durchgeschüttelt. Beschwerlicher als die Reise aber war die   bange Ungewissheit, was sie hinter dem Pass erwarten würde. 
											   
										       
											  Reisen im Mittelalter war beschwerlich im „Land im Gebirge“, wie Tirol um das Jahr 1000 bezeichnet wurde. Das Land bestand aus verschiedenen Grafschaften und   gehörte großteils zum Herzogtum Bayern. 
                                                   
                                               
                                                
                                                "Jakob auf dem Weg   nach Ägypten" (Ausschnitt); Buchmalerei aus der Weltchronik des Rudolf von   Ems 
                                               
Durch die Alpen in Tirol führte entlang der Täler von Inn, Etsch und   Eisack eine der Hauptverbindungen von Mitteleuropa nach Südeuropa. Vor allem   Fernpass, Reschenpass und Brennerpass stellten wichtige Übergänge dar, die auch   im Winter passierbar waren. Über Jahrhunderte zogen die deutschen Könige mit   großem Gefolge zur Kaiserkrönung zum Papst nach Rom und mehr als die Hälfte   dieser Reisen führte durch Tirol. Auch Händler, Kaufleute und Pilger benutzten   diese Verkehrswege. 
 
Damit diese Routen in sicheren Händen waren, hatten   sich die deutschen Könige bzw. Kaiser einen vermeintlich klugen Schachzug   einfallen lassen: Die wichtigsten Landesteile waren an die Bischöfe von Trient und Brixen als Lehen vergeben worden. Dadurch sollte verhindert werden, dass   die Leihgaben vererbbar waren, da die Bischöfe keine eigenen Nachkommen hatten.   Allerdings verwalteten die Bischöfe die ihnen verliehenen Gebiete nicht selbst,   sondern verliehen sie weiter an verschiedene Grafenfamilien, und so kam es doch   zum Unvermeidlichen: Im Laufe der Zeit rissen diese Grafen, allen voran die von Andechs,   Eppan und Tirol die   Gebiete an sich, was zu gewalttätigen Konflikten führte. 
 
Das alles   konnten weder die Fuhrleute noch die beiden Frauen im Wagen wissen, als schon   zum zweiten Mal auf dem Weg von Augsburg nach Verona ein Wagenrad an einem zu   großen Stein zerbrach, in jenem Jahr des Herrn 1035.  
 
Literatur: 
Ohler, Norbert: Reisen im Mittelalter / Norbert Ohler. -   4., überarb. und erw. Aufl.. - Düsseldorf ; Zürich : Artemis und Winkler, 2004.   - 498 S. : Ill. ; 22 cm 
Praxis Geschichte 3/2001: „Mobilität im Mittelalter“.   Westermann Schulbuch Verlag GmbH. Braunschweig. 
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