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literatur Georg Britting

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Georg Britting sieht in dem unten angeführten Gedicht die gesamte Natur als ein literarisches Werk, welches aus einzelnen Interpunktionen besteht. Die natürlichen Satzzeichen bilden ein Ganzes, wozu jedes Element notwendig ist. Die Hecke formt auch ein Element, in welcher sich Krähen, Mäuse und andere Tiere aufhalten.

VORFRÜHLING

In das große, graue Himmelstuch

Ist ein blauer Streif gerissen.

Aufgeschlagen wie ein Buch

Liegt der Acker. Die zu lesen wissen

Lesen: Frühling! In der großen Schollenschrift.

Ackerfurchen sind wie krumme Zeilen,

Pappeln Ausrufzeichen, und zuweilen

Setzen Tümpel, die ein Lichtstrahl trifft

Hinter einen Satz den Punkt.

Die Scheune mit dem grünen Dach,

Auf Bretterfüßen, morsch und schwach,

Ist von einem Lichterkranz umprunkt

Drei Krähen, schwarz und in Talaren,

Hocken auf dem Heckenband.

Schlag in die Hand! In Federwindfanfaren

Schaukeln sie zum nächsten Ackerrand.

Ihre schwarzen Schatten schwanken

Spukhaft überm Wasserloch,

Wo sie krächzend niedersanken,

Sich schnell die Maus in ihren Höhlengang verkroch.

Aus 1000 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen (Von Bertolt Brecht bis Marie Luise Kaschnitz), Marcel Reich-Ranicki, Insel-Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig, 1996- ISBN 3-458-16675-0
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