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Miteinander sprechen lernen

"Hat das, was du sagst oder tust oder fragst,
jetzt und hier einen Sinn?"

(Peter Petersen, Kleiner Jenaplan).

Diesem unauffälligen und doch absoluten Anspruch untersteht das gesamte schulische Zwiegespräch.

Unabdingbare Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Kinder in der Schule gemeinsam etwas erleben, und das auf (bedeutungsvolle) Art. Jedes Mal, wenn die Kinder und die Erwachsenen etwas Gemeinsames erleben, entsteht die Lebensgemeinschaft und damit auch Kommunikation, d. h. wahres Gespräch. Dieses gemeinsame Leben, dieses sinnvolle Wort findet seine Wurzel in der natürlichen Umwelt, im sozialen Umfeld, in den Herzen der Menschen. Deshalb muss sich die Schule auch der Außenwelt öffnen, der Welt der andern, der Welt der Gedanken, der Gefühle, der Glaubenssätze; sie muss sich den universalen Auffassungen und Strömungen gegenüber als offen erweisen.


Wir sind z.B. meilenweit entfernt von diesem Gedankengut in einem Sprach(en)unterricht, der sich kommunikativ und sinnvoll wähnt auf Grund methodischer Verfahren, die man manchmal schon surrealistisch nennen möchte. Dabei bleibt es übrigens völlig unerheblich, ob es sich um die Muttersprache oder die zweite Sprache handelt. Wie sehr die Methodik auch verfeinert sein mag, sie kann nicht die pädagogischen Mängel beheben wie z.B. das Nichtvorhandensein einer wahren Lebensgemeinschaft, denn nur die und allein diese kann echte Kommunikation hervorrufen. Wort und Lebensgemeinschaft sind also eng miteinander verbunden.

Peter Petersen (Der Kleine Jenaplan, 60. Auflage, Weinheim 1980, S. 35.) weist allem Anschein nach dem Lehrgespräch eine doppelte Rolle zu:

  • die erste ist ausgerichtet auf den Zusammenhalt der Gruppe,
  • die andere auf die Führung der Lernprozesse.

Jede der beiden ist ohne die jeweils andere nicht denkbar. Die erste Funktion führt die Schüler zu größerer Aufmerksamkeit und Konzentration, zu intensiverer Teilnahme und Zusammenarbeit, zum Gleichgewicht im Leben der Aktivitätsgruppen.


Die zweite Funktion betrifft die Führung der Lernprozesse. Dabei zeigt sich die große Bedeutung der Frage, des Fragens als Mittel zum geistigen Fortschritt. Im Lernprozess ist die Frage unumgänglich. Der geistige Fortschritt, das Bewusstwerden, der Wissenserwerb sind die Folgen einer Wirklichkeit, die problematisiert, d. h. in Fragen eingekleidet ist.

In diesem Sinne verwandeln sich Tatsachen in Fragen, die ihrerseits wiederum Fragen aufwerfen. Auf die Fragen erfolgen Antworten, vernunftsgemäße und objektive Erklärungen. Die Wirklichkeit wird indessen erst problematisch, wenn wir darin verwickelt sind. Wenn wir Widersprüche oder Neuheiten entdecken, wenn sich Zweifel einschleicht, wenn neue Aspekte der Wirklichkeit sich deutlich abzeichnen und neue Ordnungsprinzipien auftauchen, dann gibt es eine wirkliche Befragung, dann stellen sich die echten Fragen ein.

Das eine Mal führt die Frage zu Zweifeln, ein andermal zu Hypothesen, manchmal zu Antworten. Sie berücksichtigt Einwände, Fragen und Behauptungen (Feststellungen) der Kinder; sie folgt in jedem Fall und immer dem Gedankengang der Kinder. Auf diese Weise wird die persönliche Aktivität (Tätigkeit, Teilnahme) des Kindes ernst genommen und anerkannt: es ist der dem Kind eigene Weg zur Lösung hin.


Damit die Schüler das Wort ergreifen, genügt es also nicht, es ihnen nur mitzuteilen. ihre Fähigkeit, das Wort zu ergreifen, muss entwickelt werden, mit ihnen oder aber manchmal sogar gegen ihren Willen. Wichtig ist dabei nicht ein Sichzurückziehen (Rückzug) des Lehrers auf eine künstliche und illusorische Position des Nichtführens und des Nichtlenkens, sondern der Wiederaufbau oder die Wiederherstellung einer Beziehung des Schülers zum Wissen und Können und damit auch zum Leben. Es handelt sich hier also sicherlich nicht darum, das Kind blindlings (unüberlegt) in den Mittelpunkt zu stellen. Denn schließlich gehört es zur Aufgabe des Pädagogen, in bestimmten Umständen frei zu beschließen, dass eine unmittelbare Antwort auf eine Frage sinnvoller ist, oder aber wenigstens Zeitpunkt und Art der Antwort festzulegen. Der wahre "Erziehungsprofi" (Fachmann in Erziehungsfragen, wirklich professionelle Erzieher) wird sich also um die Qualität seiner Fragen bemühen.


Es muss sich um Probleme handeln, um Herausforderungen für den Lernenden. Das setzt wiederum die Existenz eines wirklich gemeinschaftlichen Lebens voraus, das an das Umfeld, die soziale und die innere Welt des Kindes anschließt. Denn dort finden sich in der Tat die Antworten, die durch den Lehrer jeweils umgewandelt und angepasst werden.

Das ganze Können (die ganze Kunst) des Lehrenden besteht in seiner Fähigkeit, von wirklichen Anlässen (Fakten) ausgehend die richtigen Fragen zu stellen oder stellen zu lassen. Ein solches Verhalten (Verfahren) steht im Gegensatz zu den herkömmlichen schulischen, d. h. vorgefertigten und vorgekauten Antworten auf Fragen, die der Schüler sich nicht stellt und die in Wirklichkeit nicht bestehen. Dass Schüler so etwas nicht für sinnvoll erachten, dürfte eigentlich niemand verwundern.

In diesem Zusammenhang ergibt sich die interessante Feststellung, dass die Vorbereitung eines Lehrers in einer Petersen-Schule fast ausschließlich aus der Suche nach diesen Fragen, nach diesen Problemen in Verbindung mit Tatsachen und Wirklichkeit besteht, die man heute Problemsituationen (?) nennt. Die Qualität dieser Situation bestimmt die Qualität des Unterrichts. Für die Vorbereitung ihres Unterrichts gehen die Lehrer also nicht vom Stoff, sondern von der Frage und der Situation aus. Ein solcher Wandel hat kopernikanische Ausmaße, denn er bedingt den Wandel vom Lehren zum Lernen.


Anders gesagt, der Lehrer ist derjenige, der die Problemfragen vorbereitet, die sich in der Wirklichkeit aus der Sicht des Kindes ergeben; er "er-klärt" in der etymologischen Bedeutung des Wortes. Er sorgt für Klarheit Durchsichtigkeit und Helligkeit. Er öffnet die Augen und erweitert das Bewusstsein der Schüler. Er erkennt die bestehende kognitive Struktur, stellt die Mängel im Wissensbereich fest und nimmt die notwendigen Korrekturen vor. Das ist der Sinn seines Lehrens und seines Redens. Die Gründe für das Nichtverstehen oder für das Missverstehen kann er leichter entdecken, wenn er das Kind reden lässt und zum Reden anregt. Das beste Mittel zur Einschätzung, Einstufung und Bewertung eines Schülers besteht darin, ihm zuzuhören. Erst darin liegt der Sinn des Sprechens, und daraus ergibt sich ein sinnvolles und wirkungsvolles Vorgehen.


   
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