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Rezension "Wie man ein Kind lieben soll"

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Korczak: "Wie man ein Kind lieben soll"  

 

"Wie man ein Kind lieben soll" war meine erste reformpädagogische Lektüre. Bevor ich begann, das Buch zu lesen, habe ich mir einen Ratgeber, wie man am Besten ein Kind erzieht, erwartet. Deshalb hat mich die Lektüre zunächst ein wenig vor den Kopf gestoßen, da ich seine Einträge als Kinderarzt nicht ganz mit dem Schulwesen verbinden konnte.

Bald aber wurden mir seine Gedankengänge klar und mich hat besonders sein Kampf für die Rechte der Kinder beeindruckt:

„[...] diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden: 1. Das Recht des Kindes auf seinen Tod, 2. Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag, 3. Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist“ (2014: 40).

Leider pochen Lehrpersonen heutzutage mehr auf die Pflichten der Kinder und vergessen somit, dass diese auch im Schulkontext ihre Rechte als Mensch haben. Denn wie er später in seinem Werk nochmal präzisiert:

„Es ist einer der bösartigsten Fehler anzunehmen, die Pädagogik sei die Wissenschaft vom Kind – und nicht zuerst die Wissenschaft vom Menschen“ (2014: 156).

Ich finde diesen Satz sehr treffend, da Lehrpersonen oft dazu tendieren, die Schüler als dem Pädagogen nicht gleichwertig anzusehen und sie wie „Fische [ohne] Stimme“ (2014: 45) behandeln. Ich hingegen finde, genau wie Korczak, Kinder und ihre Meinungen müssen respektiert und beachtet werden. Dafür ist es wichtig sich als Lehrperson die Mühe zu machen, die eignen Schüler/innen kennenzulernen und nicht wie einen unter vielen zu behandeln. Auch Korczak musste das erst lernen:

„[...] ich mir vor allem aber Namen und Gesichter meiner [...] Kinder einprägen mußte. Daran aber hatte ich überhaupt nicht gedacht, das würde sich schon von selbst machen: mit meinem Gedanken an die Kinder verband sich nicht die sorgenvolle Frage, wer sie wohl seien“ (2014: 235).

Ganz treffend finde ich zudem seine Aussage

„Ein schlechter Erzieher gibt den Kindern die Schuld am eigenen Versehen“ (2014: 182).

Wie oft passiert es im Schulalltag, dass sich eine Lehrperson keinen Respekt verschaffen kann, aber anstatt die Fehler bei sich selbst zu suchen sie einfach den Schüler/innen in die Schuhe schiebt? Zudem behauptet Korczak richtig:

„Das Kind soll ruhig unrecht tun“ (2014: 204).

Ein ganz wichtiger Grundsatz, denn kein Mensch ist fehlerlos und vor allem Kinder sollten das Recht haben, sich mal daneben zu benehmen – aus Fehlern lernt man bekanntlicherweise. Zum Glück finden Schüler/innen heutzutage den Mut Ungerechtigkeiten ihnen gegenüber zu melden und ihrer Stimme Bedeutung zu geben, aber zu Korczaks Zeiten (und auch noch zu meiner Schulzeit) hätte sich ein Kind nie getraut, etwas gegen die Lehrperson zu sagen und somit wurden unfaire Behandlungen einfach ertragen. Deshalb finde ich Korzcaks Werk so wichtig. Er gibt „seinen“ Kindern eine Stimme und behandelt sie mit Respekt, wie gleichwertige Mitmenschen – ein Vorbild, dem alle Pädagogen folgen sollten.

Die Kinder respektieren bedeutet dennoch lange nicht, sie tun und lassen machen, was sie wollen. Regeln sind besonders im Schulalltag sehr wichtig und es ist erstaunlich, wie gerne Kinder Regeln haben. Als Lehrperson glaubt man oft fälschlicherweise, Schüler/innen hassen Gebote, aber es ist genau das Gegenteil der Fall: sie mögen und brauchen sie. Korczak drückt das hervorragend aus:

„Zu meinem Erstaunen konnte ich mich in der Kolonie davon überzeugen, daß Kinder keinen Widerwillen gegen Gebote und Verbote empfinden, die dazu dienen, den Plan einzuhalten und Disziplin und innere Ordnung zu bewahren, und daß sie sich ihnen gerne fügen“ (2014: 269).

Wichtig ist, dass die Regeln sinnvoll sind und die Schüler/innen verstehen, dass durch Gebote ihr Leben an der Schule verbessert wird. Noch besser ist es, wie Korczak es vorgemacht hat, wenn Schüler/innen bei der Aufstellung der Regeln mitbestimmen können. Ich finde auch Korczaks Demut bewundernswert. Er scheut nicht davor zuzugeben, dass es sehr schwer ist Kinder zu erziehen und dass man als Pädagoge sehr oft an die eigenen Grenzen stoßt. Er schreibt immer wieder von Momenten der Erschöpfung und des Aufgebens und findet„Erzieher, [die behaupten, sie antworten] geduldig auf die Fragen der Kinder“ (2014: 198) verdächtig.

Sein Werk ist nicht ein Ratgeber für die ideale Erziehung eines Kindes, wie ich vom Titel vermutet habe, sondern ein echter und ungeschmückter Erfahrungsbericht, der nicht nur von den Sonnenseiten der Kindererziehung berichtet, sondern vor allem deren Schwierigkeiten beschreibt. 

Ich persönlich habe das Buch mit meinem Schulalltag im Hinterkopf gelesen und viel für mich selbst mitnehmen können. Vieles habe ich selbst schon erfahren, anderes habe ich neu dazugelernt. Ich habe das Buch als erfrischend ehrlich empfunden, da es auch Probleme in der Kindererziehung anspricht, aber anstatt kluge Lösungen vorzuschlagen, schreibt Korczak von seinen Erfahrungen und wie ER seine Schwierigkeiten nach bestem Wissen und Gewissen gemeistert hat. Es ist nicht ein Ratgeber sondern ein Erfahrungsbericht, von dem man aber meines Erachtens mehr lernen kann, als von jeglichem Theoriebuch über Kindererziehung oder Schulbildung.

Quelle:

Korczak, Janusz: „Wie man ein Kind lieben soll“. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2014. 
  

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Inhaltsübersicht

Aller Anfang ist schwer... 

Erstes Präsenztreffen, erste Informationen zu den Reformpädagogen

Die Wandzeitung nach Freinet

Janusz Korczak - Biografie

Janusz Korczak - Der Reformpädagoge

Rezension "Wie man ein Kind lieben soll" 

Meine ersten Schritte in Richtung Freiarbeit

Hospitation an der Mittelschule St. Martin in Passeier

Das persönliche Thema

Helen Parkhurst - Biografie

Die Dalton-Pädagogik nach Helen Parkhurst

Rezension "Education on the Dalton Plan"

Meine ersten Versuche, das Konzept des Daltonplans in meinem Unterricht einzubauen

Hospitation an der Mittelschule Gries (BZ)

Meine Konzeptarbeit

Das Leselabyrinth

Reformpädagogische Neuerungen an unserer Schule 

Qualitätskriterien (Teil 1)

Qualitätskriterien (Teil 2)

Fazit des Lehrgangs